Martha Astfalk-Vietz - Zuchtstätte "el Schahin"

Vor vielen Jahren fuhr ich zu Martha Astfalk-Vietz in die Lüneburger Heide, wohin sie 1970 von Berlin zog. Sie war Künstlerin, und ich holte die von ihr gemalten Ehrenpreise ab, da ich die Sonderleitung für die Berliner CACIB hatte. Daraus wurde ein sehr langer Tag angefüllt von Erzählungen und Kuchen, wobei Bagheera und meine damals junge Delsadi auf ihrer Couch lagen, Martha sich vom Sessel aus zu ihnen hinüber beugte, und die von ihr ständig Kuchen und Schokolade in ihre gerne geöffneten Mäuler geschoben bekamen. Ich konnte ihre Kunst bewundern und alte Photos der Hunde, die sie mir anvertraute.

Martha begann ihre Geschichte: Sie wurde am 21.7.1901 geboren und wohnte in der Miguel Str. 7 in Berlin, dann zog sie in die Troichtlinger Str. Ecke Richard Wagner Platz um, wo sie 1943 bereits zum 6. Male ausgebombt wurde. In dieser Zeit sah sie zwei wunderschöne Windhunde, die ein Mann an der Leine führte. Sie sprach ihn an, es war Dr. Bernd, der diese Salukis von Maria Weißweiler gekauft hatte, der ihr gerne die Adresse gab, und zu dem Martha noch lange Verbindung hielt. Sie schrieb nach Ostpreußen, bekam aber noch keinen Saluki. Im August 1944 aber wurde Familie Astfalk-Vietz von Maria Weißweiler die Hündin Ramona per Bahn Richtung Berlin geschickt, als die Lebensumstände in Ostpreußen immer bedrohlicher wurden.

44 Notquartiere später wohnte Familie Astfalk-Vietz inzwischen in der Aschaffenburger Str., wo auch Ramona einzog. 1945 wohnten alle in der Jenaer Str., später zogen sie in der Nähe des Roseneck, in die Fischotterstraße 3. In der Nähe des Rosenecks wohnte ich viele Jahre danach auch. Die Alliierten verboten nach dem Kriege Deutschen, Rassetiere zu halten. Wurde jemand mit einem erwischt, wurde es einfach konfisziert. Die Alliierten hatten das Recht dazu, bzw. nehmen es sich. Davon berichtete mir Martha, aber auch die Tierärztin Dr. Maria Gräfin von Maltzan, der ich oftmals in ihrer Praxis instrumentierte und assistierte, wenn OPs anstanden, sie erzählte mir das gleiche. Privat verbrachten wir viele Stunden und sie erzählte mir von ihren Erlebnissen unter den Nazis, Detailles von ihrem Widerstand gegen das Regime, aber auch von Schicksalsschlägen und ihren Tieren. Sie berichtete aus der Nachkriegszeit in Berlin, wobei sie regelmäßig nach vielleicht einer halben Stunde auf dem Bett, in dessen Bettkasten sie einst ihren Mann vor den Nazis versteckte, mit ihrem Bullterrier im Arm einschlief. Sie wohnte ärmlich in ihrer Praxis und auch zeitweilig in einer kleinen Altbauwohnung. Sie schrieb über ihr Leben im 3. Reich das Buch: "Schlage die Trommel und fürchte Dich nicht". Margarethe von Trotta verfilmte später ihr Leben unter dem Titel: "Rosenstraße". Ein später Ruhm nach einem unglaublich wechselvollen Leben, meist in Armut, aber mit Würde. Ihr voller Name lautete Maria Helene Françoise Izabel Gräfin von Maltzan, Freiin zu Wartenberg und Penzlin. Es war dieses Penzlin, in dem Heinz Schnack seine Salukis züchtete.

Martha Astfalck-Vietz hatte es nicht weit zum Offizierskasino, welches in späteren Jahren zu einem Kino für die amerikanischen Soldaten namens Outpost an der Grunewaldalle, späterer Clayallee umgebaut wurde. Dort gab es Mülltonnen, aus denen sich Deutsche noch Eßbares heraus suchten.

Als Martha Astfalck-Vietz durch Maria Weißweiler von dem Schicksal Rudolf Kruses erfuhr, übernahm sie den Jungrüden Dschanschal von Sonnenheim und machte mit Ramona von Arabien und ihm einen Wurf 5/6, der am 20.4.1948 geboren wurde. Diesen Wurf zog sie in der 4. Etage der Jenaer Str. groß. Eigentlich stimmt das nicht ganz, denn 5 der Welpen wurden in Nikolassee von einer Amme großgezogen, die nach 6 Wochen aber keine Milch mehr hatte. Also kamen die Kleinen wieder in die Wohnung zurück zu Ramona, die nur liebevoll Mona genannt wurde. Doch Mona knurrte zunächst ihre Welpen an, die ihr fremd geworden waren. Martha sammelte also Monas Urin in einem Schälchen und hielt ein Tuch hinein. Sie rieb die Welpen mit Monas Urin ein, und so ließ diese dann ihre Welpen heran.

Dschanschal von Sonnenheim 627

 

Es folgte die Währungsreform, und die Familie zog in den Fischottersteig 3 um. Hellmuth lief zu Fuß zur neuen Bleibe, führte Ramona und Dschamschal an der Leine, die wie wild an der Leine zogen, weg von ihrem alten Zuhause. Dort lagen immer noch verschüttete Leichen herum, und Ratten wurden zu einer Plage.

Ramona in Berlin zwischen Trümmern, unter denen noch immer Leichen verborgen lagen.

Nun besaß die Familie 13 Salukis, finanziell ging es ihnen nicht gut, aber im Rückblick bezeichnete Martha diese Zeit als die glücklichste.

Leider starben aus ihrem A Wurf die Rüden Artus und Astor an Staupe, der nächste Wurfbruder Adonis war in Quarantäne, weil er mit der Sekretärin von Lucius D. Clay, dem Vater der Luftbrücke, nach Amerika gehen sollte, doch so weit kam es nicht, auch er wurde von der Staupe hinweg gerafft. Alle drei waren aber geimpft. Nur der nächste, Assajan, trat die Reise lebend nach Amerika an.

Martha hatte engeren Kontakt zu der damaligen Leiterin des Berliner Zoos, zu Frau Dr. Katharina von Heinroth, bei der die Tierärztin Wilma von Düringen arbeitete, und die damals als DIE Tierärztin von Berlin galt. Dieser Kontakt rettete Ramona das Leben. Eines Tages kam Ramona rein und verkroch sich gleich unter dem Tisch, Schaum vor dem Maul, kotete unter sich und war vollkommen verkrampft. Sie war von 9 Wespen gestochen worden. Frau von Düringen spritzte ihr Calcium, und rettete so die Hündin, die dann viel später mit 14 Jahren starb.

Es folgte aber zunächst am 29.5.1950 eine Wurfwiederholung, bei der 3/4 Welpen eingetragen wurden.

Hier hält Hellmuth Astfalck seinen Wurf an der Leine.

Zwei kleine Jungs stachen besonders hervor, nämlich Bandur 718 und Beryll 720, die zu Marianne Hessing und ihrer Schwester Agnes Friederici überwechselten. Beryll wurde später Weltsieger.

Am 30.6.1952 kam dann der 3. Wurf zur Welt, hier wurde Laktar Tempo von Agnes Friederici der Vater von Ramonas 4/2 eingetragenen Welpen. Später wurde die Hündin Cassana el Shahin von dem im Besitz von Marianne Hessing stehenden Rüden Bandur el Schahin gedeckt, das kleine Ergebnis war das Einzelkind Dschamon el Schahin 858.

Cassana el Schahin mit Söhnchen Dschamon

Danach stellte Familie Astfalk-Vietz aus persönlichen Gründen die Zucht ein.

 

Marianne Hessing und Martha Astfalk-Vietz unterhielten noch über die Salukis hinaus einen freundschaftlichen Kontakt. Marianne Hessing besaß viele Mehlsäcke, die Martha Astfalk-Vietz bemalte, zu Kleidung zuschnitt und nähte. Auch fertigte sie Schmuck aus Emaille und anderen Werkstoffen an, die sie Marianne Hessing zum Verkauf gab, der Erlös wurde dann abgerechnet.

Marianne Hessing hielt damals Rassehühner, sie hatte einige an Martha Astfalk-Vietz zusammen mit einem Begleitbuch verschenkt.

Aber auch Kummer wurde geteilt. So zum Beispiel mußte Marianne Hessing um 1965 herum drei Hündinnen töten lassen, sie hatten konterminiertes Fleisch vom Schlachthof gefressen, welches mit zu vielen Farbstoffen versetzt war, sodaß die Salukis erblindeten.

1970 zog Familie Astfalk-Vietz in die Lüneburger Heide, wo Hellmuth 1974 starb.