Von der Burg Windeck

 

Katharina Elisabeth Castan wurde am 25.4.1902 in Darmstadt geboren. Sie heiratete später den Ingenieur Hugo Windecker und lebte in Berlin.

Windhunde faszinierten sie, und so züchtete sie Salukis, Sloughis und Barsois. Sie ließ sich den Zwingernamen "Von der Burg Windeck" schützen, und nannte sich fortan Ellen Windecker - Castan.

Zwischen 1938 und 1944 züchtete sie insgesamt 11 Salukiwürfe, die im folgenden aufgezeigt werden.

Ihr am 30.6.1938 gefallener A Wurf 3/2 ging über el Saluk und andere Zuchtstättennamen direkt auf Sarona zurück. Gharajan el Saluk 103 x Ghazal von der Hasenklage 310.

Der B Wurf kam am 17.6.1939 zur Welt, es war nur ein kleiner weißer Rüde, der Benjamin genannt wurde und die Zuchtbuch Nummer 475 erhielt. Auch Benjamin war ein Vertreter über el Saluk und ging somit auf Sarona zurück. Arduk el Rashan 324 x Bessy von der Haidmühle 371.

Es folgte ein weiterer Wurf, 3/3, ihr C Wurf, nähere Daten sind hier leider nicht leserlich.

Der D Wurf fiel am 7.9.1939, 4/3, die Eltern waren Arduk el Rashan 324 x Obeida el Saluk 406 . Hier war Hitlers Überfall auf Polen 1 Woche her.

Bereits am 3.11.1939 wurde der E Wurf 3/1 geboren, die Eltern waren Arduk el Rashan 324 x Ghazal von der Hasenklage 310.

Der F Wurf 3/3 fiel am 11.5.1940 von Asfur el Saluk 379 und aus der Obeida el Saluk 406. Der kleine F Wurf war noch keine 2 Monate alt, als der erste Luftangriff auf Berlin erfolgte.

Am Nachmittag des 7. Juni 1940 startete die "Jules Verne", ein umgebautes Flugzeug, mit 2.000 kg Bomben in Bordeaux-Mèrignac. Korvettenkapitän Dallière hatte einen Kurs gewählt, der ihn solange wie möglich aus dem Bereich deutscher Flak heraushalten sollte, da ein Flaktreffer im Rumpf die sofortige Explosion des Flugzeuges zur Folge gehabt hätte. Er flog also über Brest, den Ärmelkanal, die Nordsee, Dänemark, die Ostsee und drang bei Stettin von Norden in den deutschen Luftraum ein. Es war eine klare Nacht und um Mitternacht erreichte die "Jules Verne" Berlin, ohne bisher Berührung mit Flak oder Nachtjägern gehabt zu haben. Dallière erkannte den Flughafen Tempelhof und wies den Piloten an, eine Landung zu simulieren, um den Eindruck zu erwecken, ein deutsches Flugzeug setze zur Landung an. Die "Jules Verne" kreiste mehrmals, dann überflog das Flugzeug Tempelhof in 100 m Höhe mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 350 kmh und flog Richtung Norden. Hier sollten Fabriken im Norden Berlins angegriffen werden. In zwei Anflügen warf die "Jules Verne" ihre acht Sprengbomben und 80 10-kg-Brandbomben ab. Schon vorher hatte starkes Flakfeuer eingesetzt. Die "Jules Verne" flog nach dem Angriff nach Süden Richtung Leipzig ab und landete nach 13 ½ Stunden Flug am 8. Juni morgens gegen 5 Uhr in Chartres, ohne noch einmal mit der deutschen Luftabwehr in Berührung gekommen zu sein. Über Paris-Orly kehrte sie dann nach Lanvéhoc-Poulmic zurück.

Das war der erste Luftangriff auf Berlin, noch richtete er keinen sehr großen Schaden an, reichte aber aus, die Berliner zu verunsichern, zumal die Franzosen ohne Gegenwehr eindringen konnten.

Am 2.7.1940 wurde der G Wurf 3/1 geboren, die Eltern waren Arduk el Rashan 324 und Aruse el Saluk 381.

Der am 27.5.1941 geborenen kleine Herold war wieder ein Einzelkind, er war schwarz weiß gescheckt und seine Eltern waren Asfur el Saluk 379 und Elka von der Hasenklage 255.

Dieses Bild zeigt Elka von der Hasenklage 255, eine Tochter von Gharajan el Saluk 103 aus der Sarona Dhurra 60, mit ihren früheren Welpen

Elka ging zunächst in die Zuchtstätte von der Haidmühle, wo sie innerhalb 7 Monaten zwei Würfe nach Bela von Persien 208 hatte, und später in die Zuchtstätte von Ellen Windecker - Castan, wo sie, wie dort nach Kriegende auch die anderen Windhunde, von den Russen abgeschlachtet wurde.

Am 9.6.1942 erblickte der I Wurf 3/1 das Licht der Welt, hier war der Vater Asfur el Saluk 379 und die Mutter Diana von der Burg Windeck 487.

Nun verpaarte Ellen Windecker Castan Hunde aus ihrer eigenen Zucht, nämlich für ihren am 23.9.1942 geborenen J Wurf den Rüden Dietz von der Burg Windeck 483 mit der Hündin Fernande von der Burg Windeck 505. Das Ergebnis waren 2/2 Welpen, die zur Eintragung belassen wurden.

Das Leben in Berlin wurde für die Zivilbevölkerung unerträglich, und wer die Möglichkeit hatte, zog in das Umland, so auch Ellen Windecker - Castan um sich an dem Rand der Kleinstadt Beelitz südwestlich von Berlin eine neue Heimat für sich und ihre Zucht zu schaffen. Ihr Mann war eingezogen, sein Aufenthalt war bei Kriegsende unbekannt, vielleicht war er auch gefallen.

Hier ist Beelitz zu sehen, unten die roten Dächer des heutigen Industriegebietes.

Am 29.4.1944 kam ihr letzter Salukiwurf zur Welt, er fiel in Beelitz und es waren 2/3 Welpen, der K Wurf, die zur Eintragung belassen wurden. Die Eltern waren Isko el Rashan 570 und Diana von der Burg Windeck 487.

Ihre Zucht begründete sich gänzlich auf el Saluk Vorfahren, die wiederum auf die englische Zuchtstätte Sarona von General Lance zurück ging. Einzig die Hündin Bagdad-Esum von Persepolis 44, die in den Vorfahren zu finden ist, geht mit ihren Eltern auf die Zuchtstätte von Persien von Conrad Woltering zurück.

Am 8. Mai 1945 war der 2. Weltkrieg vorbei, die Kapitulation unterschrieben, und die Russen besetzten das Land. Die Russen machten in und um Potsdam und dem südlich gelegenen Beelitz das, was sie überall machten, sie vergewaltigten und mordeten, allerdings manchmal ausgebremst durch hohe Offiziere, die auch einige von ihnen deswegen liqidierten.

Hier ist das Industriegebiet, an dem rechts die Treuenbritzenerstr. entlang führt. Nach der kleinen Waldwiese in südlicher Richtung kommt ein Gehöft, ein weiteres unten auf dem Bild ebenfalls an der Treuenbritzenerstraße. Zwischen diesen beiden Gehöften lag das Haus von Ellen Windecker- Castan. Dort wurde sie von den Russen überfallen. Mit ihren Gewehren hielten sie auf die Windhunde drauf, die in großen Zwingeranlagen gehalten wurden, und erschossen oder verletzten sie alle. Keiner der Hunde überlebte. Es bedarf keiner allzu ausgeprägten Fantasie, was sie mit der Züchterin machten. Ihr Haus brannte ab, ihr Grundstück ist inzwischen von Wald bedeckt.

Elf Tage nach der Kapitulation, am 19. Mai 1945, wurde Ellen Windecker - Castan tot aufgefunden. Man konnte den genauen Todeszeitpunkt nicht mehr feststellen. Auf dem Totenschein steht als Ursache: Wahrscheinlich Freitod.

Ellen Windecker - Castan wurde nur 43 Jahre alt. Sie wurde von den Russen überfallen, die ihr das Liebste was sie besaß, erschossen, ihre Windhunde. Ihr Mann war verschollen, ob in Gefangenschaft oder tot, wußte sie nicht. Sie hatte kein Dach mehr über dem Kopf, und daß Sie den Freitod wählte, sofern sie nicht von den Russen ermordet wurde, kann man sich gut vorstellen. Sie wurde im Beelitzer Forst von Frau Erna Reichelt tot aufgefunden, nachdem die Russen wieder marodierend weiter zogen.

Von ihrer Zucht ist nichts mehr nach geblieben, Hunde aus ihrer Zucht wurden zwar noch in zwei Gelegenheitszuchtstätten eingesetzt, aber damit endeten diese auch. Das Haus von Ellen Windecker - Castan brannte ab, somit blieb auch von ihrer letzten Zuchtstätte nichts mehr übrig.

Das Blut aber von den Verwandten ihrer Zucht blieb über die Zuchtstätte el Saluk erhalten und verteilte sich dann weltweit.

 

Ellen Windecker-Castans Geschichte:

Ellen Windecker-Castan hieß lt. älterer Darmstädter Melderegistratur mit vollständigem Geburtsnamen Elisabeth Katharina Castan. Ihre Eltern waren Friedrich Wilhelm Castan, geb. am 20. April 1872 in Landweiler und Katharina Castan, geb. Exel, geb. am 11. April 1874 in Darmstadt. Wilhelm Castan war Inhaber einer Porzellanhandlung und Glaserei in der Darmstädter Kirchstraße Nr. 5, wo die Familie seit 1907 auch íhren Wohnsitz hatte. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, eine ältere Aufnahme zeigt sehr gut die Lage des Hauses in unmittelbarer Nachbarschaft des Darmstädter Traditions- und Verbindungsgasthauses "Hannibal" (Brauereiausschank Hess).

Wilhelm Castan hat sich am 20. Februar 1915 in seinem Geschäfts- und Wohnhaus erhängt, seine Ehefrau starb am 18. August 1924, wohl in Darmstadt. Elisabeth Castan hatte keine Geschwister. Lt. eigenem Meldebogen verzog Elisabeth Castan am 1. November 1922 nach Frankfurt am Main. Am 28. April 1923 heiratete sie nach gleicher Quelle den Kaufmann Hugo Windecker, geb. am 1. November 1900 an unbekanntem Ort. Auch der Ort der Heirat ist auf dem betreffenden Meldeblatt nicht festgehalten. Zu Hugo Windecker kann ich Ihnen leider keine weiteren Angaben liefern, da die Buchstaben V-Z der älteren Melderegistratur zu den Kriegsverlusten zählen. Hugo Windecker kann allerdings nach 1945 nicht wieder nach Darmstadt zurückgekehrt sein, da sich in der jüngeren Melderegistratur kein Eintrag für ihn findet. Im Adreßbuch 1921 werden im Abschnitt der im Handelsregister eingetragenen Firmen Mutter und Tochter Castan als gemeinsame Inhaberinnen der Fa. Wilhelm Castan genannt. Nach dem Tod der Mutter im Jahre 1924 muß die Firma erloschen sein, denn im Adreßbuch 1927 taucht sie nicht mehr im Verzeichnis der Darmstädter Firmen auf. Das Haus Kirchstraße 5 ging in diesem Zusammenhang in das Eigentum des Kaufmanns Karl Kriechbaum über. Somit können sich leider auch aus den erhaltenen Entschädigungsakten für die 1943/1944 entstandenen Kriegsschäden keine weiteren Hinweise auf den Verbleib Hugo Windeckers ergeben. Wie man den jüngsten Adreß- und Telefonbuchausgaben entnehmen kann, ist der Familienname "Castan" in Darmstadt gegenwärtig nicht mehr geläufig, und ob die wenigen heute in Darmstadt lebenden "Windeckers" etwas mit dem gesuchten Hugo W. zu tun haben, kann ich aus den genannten Gründen nicht überprüfen. Möglicherweise können Sie ja die entscheidenden Hinweise auf seinem weiteren Lebensweg nach 1922/23 vom Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt am Main erhalten.

 

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Dr. Friedrich Wilhelm Knieß

Ich bedanke mich bei den letzten Zeitzeugen und Behörden, die mir halfen, dieses Schicksal zu recherchieren.